Sofern der Plan für ein Bauvorhaben steht, stellt sich oftmals die Frage, ob eine Baugenehmigung erforderlich ist. Diese ist allerdings nur bei manchen Gebäuden vonnöten. Davon befreit sind die sogenannten verfahrensfreien Anlagen. Was dies ist, woran eine verfahrensfreie Anlage festgemacht wird und was es bei Nutzungsänderungen einer baulichen Anlage zu beachten gibt erfahren Sie hier.
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Was ist eine verfahrensfreie Anlage?
Grundsätzlich gilt deutschlandweit, dass jedes Gebäude genehmigungspflichtig ist. Wo dies normiert ist, hängt vom Bundesland ab. Denn Baurecht ist überwiegend Landesrecht. In Bayern besteht beispielsweise gemäß Art. 55 Bayerische Bauordnung (BayBO) eine Baugenehmigungspflicht. Davon erfasst sind alle baulichen Anlagen. Ausnahmen bilden nur bestimmte Anlagen, die nicht unter die Bauordnung fallen, wie beispielsweise Anlagen des öffentlichen Verkehrs, Kräne, Rohrleitungsanlagen oder auch Einrichtungsgegenstände gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBO.
Art. 57 BayBO bezeichnet jedoch einige Anlagen als verfahrensfrei: die sonstigen Anlagen. Für die Nutzungsänderung oder Errichtung dieser Anlagen gilt somit keine Baugenehmigungspflicht. Es handelt sich dementsprechend um verfahrensfreie Baumaßnahmen, worunter auch Nebenanlagen oder Nebenarbeiten, wie zu Beispiel Erdarbeiten, fallen. Das bedeutet, dass bei der Gemeinde kein Bauantrag eingereicht werden muss, der dann von der Bauaufsicht geprüft werden wird.
Die Verfahrensfreiheit entbindet den Bauherrn allerdings nicht von der Beachtung sämtlicher materieller baurechtlicher Vorgaben, beispielsweise den Brandschutzvorgaben oder der Einhaltung des Baufensters, was in Art. 55 Abs. 2 BayBO festgehalten wird.
Denn verfahrensfreie Gebäude sind nicht gleich rechtsfreie Gebäude! Dies heißt auch, dass in nach dem Bebauungsplan festgesetzten Gebieten bestimmte Vorgaben beachtet werden müssen. Darunter fallen beispielsweise die Abstandsflächen. Der Bebauungsplan wird dabei von der Gemeinde schriftlich festgehalten und im Gemeindeblatt veröffentlicht, sodass jeder Bürger diesen einsehen kann. Solange die baulichen Anforderungen bei verfahrensfreien Bauvorhaben aber selbstständig oder durch einen Architekten geprüft wurden, kann einfach losgebaut werden.
Woran kann ich eine verfahrensfreie Anlage festzumachen?
Unabhängig von der Art des Projekts ist eine verfahrensfreie Anlage daran festzumachen, ob es sich um ein selbstständiges Einzelvorhaben handelt. Denn nur dann sind die in Art. 57 Abs. 1 BayBO aufgeführten Objekte auch wirklich verfahrensfrei. Es darf also kein Bauprojekt in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausführung eines anderen Vorhabens sein. Handelt es sich beispielsweise bei einem Garagenbau, unabhängig von der Größe, um einen Teil des Projekts „Einfamilienhaus“, so ist dieser nicht verfahrensfrei. Dabei spielt auch keine Rolle, ob es sich um eine notwendige Garage oder um notwendige Stellplätze handelt, weil eine bauordnungsrechtliche Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen besteht.
Ein Auseinanderhalten ist nicht immer einfach, sofern es sich um Grenzfälle handelt, also nicht klar ist, ob das Hauptprojekt beispielsweise schon abgeschlossen ist und somit das zweite als verfahrensfrei gelten kann.
Was sind sogenannte Grenzfälle, also eine bauliche Anlage ist verfahrensfrei, während die andere es nicht ist?
Eine Anlage wird oftmals als verfahrensfrei betitelt, sofern es sich um unbedeutende Anlagen handelt. Ob eine bauliche Anlage allerdings noch verfahrensfrei ist, hängt oftmals von vielen Faktoren ab. Ein Bauvorhaben ist beispielsweise noch verfahrensfrei, weil es unabhängig von einem Projekt geplant wurde. Oftmals ist die Grenze aber verschwimmend.
Eine große Rolle für die Verfahrensfreiheit spielt dabei ebenfalls die m² Grundfläche. Mit der Liste baulicher Anlagen in 57 BayBO ist geregelt, dass die Nutzung von Anlagen dieser Gattung verfahrensfrei ist. Als Bauherr sollten Sie diese Vorschriften genau beachten und den erforderlichen Umfang nicht überschreiten. Denn auch geringfüge Abweichungen verhindern die Verfahrensfreiheit!
Anbei finden Sie eine Auflistung von verschiedenen Beispielen für verfahrensfreie Anlagen im Innen- oder beplanten Bereich in Bayern:
- Ein erstes Beispiel ist ein Swimmingpool, auch mit Überdachung. Diese sind verfahrensfrei, wenn es sich bei den Überdachungen um temporäre luftgetragene Schwimmbeckenüberdachungen, also sogenannte Tragluftschwimmhallen handelt. Allerdings darf der Pool nicht einen größeren Beckeninhalt als 100m³ besitzen. Ähnliche Anlagen mit einer festen und vor allem dauerhaften Überdachung wären dagegen von Art. 57 Abs. 1 Nr. 10 BayBO nicht umfasst. Man muss sich bei der Planung also darüber im Klaren sein, dass schon eine Überschreitung des m³-Beckeninhalts zu einem genehmigungspflichtigen Bauvorhaben führt.
- Auch bei Garagen gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1b BayBO sind Besonderheiten zu beachten. Unabhängig von der erforderlichen Eigenständigkeit gilt die Verfahrensfreiheit nur für Garagen im Sinne von Art. 6 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 BayBO. Es gelten daher bestimmte Voraussetzungen:
- Die Garage muss entweder ohne volle Einhaltung der Abstandsflächentiefe oder unmittelbar auf der Grundstücksgrenze errichtet werden.
- Die Garage darf nur eine mittlere Wandhöhe bis zu 300cm haben.
- Die Garage darf eine maximale Länge von 900cm je Grundstücksgrenze haben.
- Eine Verfahrensfreiheit gilt ebenso für überdachte Stellplätze nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1b BayBO mit einer Fläche bis zu 50 m2. Damit sind Flächen gemeint, die dem Abstellen von Fahrzeugen außerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche dienen und überdacht sind. Ähnliches gilt aber auch für nicht überdachte Stellplätze, dann bis zu einer Fläche von 300 m². Diese sind nach Nr. 15b ebenfalls verfahrensfrei.
- Um ebenfalls als verfahrensfrei eingestuft zu werden, dürfen Gewächshäuser eine Firsthöhe von 5m nicht überschreiten. Ein im privaten Garten angelegtes Gewächshaus oder ein als Gewächshaus getarnter Wintergarten fällt allerdings nicht unter die Verfahrensfreiheit. Denn gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1d BayBO muss das Gewächshaus einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder auch einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 201 BauGB dienen. Ein Gewächshaus, welches dieser Anforderung nicht gerecht wird, weil es sich zum Beispiel um ein Hobbygewächshaus handelt, ist nicht gemäß Nr. 1d verfahrensfrei. Allerdings kann sich die Verfahrensfreiheit in solchen Fällen aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 1a BayBO ergeben, wenn das Hobbygewächshaus also nicht den Brutto-Rauminhalt von 75m³ überschreitet. Es muss folglich genau auf die Art und die Größe des Gewächshauses geachtet werden.
- Bei Terrassenüberdachungen sollte besonders auf die Größe geachtet werden, denn es darf eine bestimmte Anzahl von m² Grundfläche nicht überschritten werden. Eine Terrasse mit einer Fläche bis zu 30m² und mit einer Tiefe bis zu 3m ist verfahrensfrei.
- Sogar freistehende Gebäude können verfahrensfrei sein, wenn sie einem land-, forst- oder gartenbaulichen Betrieb dienen und weitere Anforderungen erfüllen: So müssen sie eingeschossig sein und keine Feuerungsanlagen, sprich keine Abgasanlagen, haben. Außerdem darf die Grundfläche höchstens 100 m² und die überdachte Fläche höchstens 140 m² je Grundstück sein.
- Das Errichten von Mauern einschließlich Stützmauern ist darüber hinaus verfahrensfrei, sofern diese eine Höhe von 2 Metern nicht überschreiten.
- Zu Werbeanlagen äußerst sich Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO sehr ausführlich. Hier sind die Details für die Verfahrensfreiheit von großer Wichtigkeit. Beispielsweise ist der Warenautomat von Leistungs- und Unterhaltungsautomaten, welche auch Automaten im Sinne des Gewerberechts darstellen, abzugrenzen.
Interessant könnten auch die Werbeanlagen sein, die nicht vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Verkaufsraum dem Hausrecht eines anderen unterliegt oder im Privateigentum steht. Die „Öffentlichkeit“ ist dabei weit auszulegen. Auch Aussichtsplattformen, welche nur gegen einen Entgelt bestiegen werden können, zählen als ein Ort, welcher der Allgemeinheit zugänglich ist. Selbst eine Werbung durch Himmelsstrahler ist somit grundsätzlich nicht verfahrensfrei.
Auch eine gut einsehbare Werbeanlage, die verunstaltet ist, zählt als öffentlich sichtbar.
Eine öffentlich sichtbare Werbeanlage kann vor allem dann verfahrensfrei sein, wenn sie sich entsprechend der Nummer 12a in einem Schaufenster befindet und nicht größer als 1m² ist. Alle größeren öffentlich sichtbaren Werbeanlagen fallen nicht unter die Verfahrensfreiheit des Art. 57 I Nr. 12c BayBO. - Ein Zeltlager ist dann nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 13f BayBO verfahrensfrei, wenn es maximal für zwei Monate errichtet wurde. Zeltlagerplätze, die ständig genutzt werden, gelten selbst als bauliche Anlagen und sind daher genehmigungspflichtig. So ist zum Beispiel ein zweiwöchiges Ministrantenzeltlager verfahrensfrei. Wird eine Zeltanlage jedoch als dreimonatiges Zeltlager aufgebaut, greift Art. 57 I Nr. 13f BayBO nicht mehr. Wichtig ist auch, dass Zeltlagerplätze als Sondergebiete in Bebauungsplänen festgesetzt werden können. So kann auch ein mehrmonatiges Zeltlager bei Vorliegen eines ausgewiesenen Sondergebiets verfahrensfrei sein.
- Als letztes Beispiel für sonstige Anlagen sind die Kinderspielplätze im Sinne des Art. 7 BayBO zu nennen. Folglich sind hier nur Kinderspielplätze gemeint, welche auf dem Grundstück von Mehrfamilienhäusern oder in unmittelbarer Nähe hierzu entstehen. Die Verfahrensfreiheit ist meistens nur bei baulichen Änderungen relevant, da die Baugenehmigungspflicht bei Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen auch den notwendigen Kinderspielplatz umfasst.
Was muss ich bei Nutzungsänderungen beachten?
Grundsätzlich erhält man als Bauherr mit der Baugenehmigung die Erlaubnis, eine Fläche auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen. Will man diese Fläche beispielsweise für den landwirtschaftlichen Betrieb nutzen, so müssen Sie auch im Rahmen der erteilten Genehmigung einen landwirtschaftlichen Betrieb betreiben.
Wollen Sie jedoch ein Gebäude anders als mit der bisherigen Nutzung gebrauchen, beispielsweise in einer Wohnung eine Praxis einrichten, benötigen Sie in der Regel auch eine Genehmigung für diese Nutzungsänderung. Denn nur weil die bisherige Nutzung erlaubt war, ist dies nicht automatisch nach einer Nutzungsänderung immer noch der Fall. Dies gilt umso mehr, wenn für die veränderte Nutzungsänderung sogar ein Umbau erforderlich ist. Eine Nutzungsänderung ist nur genehmigungsfrei, wenn an die neue Nutzung keine anderen Anforderungen als an die vorherige Nutzung gestellt werden.
Wie steht es um die Beseitigung baulicher Anlagen? Kann ich dies tun, sofern diese verfahrensfrei sind?
Sofern einem als Eigentümer bestimmte Teile einer Anlage nicht mehr gefallen oder man Probleme mit der äußeren Gestalt hat, will man diese möglichst schnell entfernen. Die Beseitigung bzw. der Abbruch von Anlagen ist in der Regel genehmigungsfrei. Unter bestimmten Voraussetzungen muss jedoch beispielsweise nachgewiesen werden, dass das restliche Gebäude nach der teilweisen Beseitigung standsicher ist. Dann wird eine sog. Abrissgenehmigung erforderlich. Dadurch wird sichergestellt, dass die mit der Beseitigung verbundene Änderung nicht zu einer unmittelbaren Gefahr für Nachbarn wird.
Dies ist allerdings die Ausnahme. In der Regel handelt es sich beim Abriss um eine verfahrensfreie Baumaßnahme, sofern es sich auch um eine verfahrensfreie Errichtung handeln würde.
Was passiert, wenn ich dachte, meine bauliche Anlage ist verfahrensfrei, in Wirklichkeit benötige ich aber eine Baugenehmigung?
Die Bauaufsichtsbehörde ist für das Einhalten der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften zuständig. Gegen gebaute Objekte, welche diesen Bauvorschriften nicht genügen, können bauaufsichtliche Maßnahmen eingeleitet werden. Falls das Projekt sich noch im Bau befindet, kommt eine Anordnung zur Einstellung der Arbeiten gemäß Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayBO in Betracht.
Bei vollendeten Bauprojekten kann auch eine Nutzungsuntersagung, eine vorläufige Untersagung oder sogar eine Beseitigung von Anlagen gemäß Art. 76 BayBO angeordnet werden. Dabei kommt es allerdings entscheidend darauf an, ob der Bau nur ohne Genehmigung errichtet wurde, ansonsten aber den Anforderungen entspricht, oder ob er auch materiellen Vorgaben widerspricht, also formell und materiell illegal ist. Außerdem wird geprüft, ob das Objekt entsprechend den Vorgaben angepasst werden kann. Daran ändert sich auch nichts, nur weil Sie nichts von der nötigen Baugenehmigung wussten.